Gemüse bleichen

Zarte Köstlichkeiten aus dem Gemüsegarten 

Bitterstoffe können gesund sein – schmecken jedoch nicht jedem. Für jene, welche Vitamine, aber keinen «Magenbitter» mögen, gibt es die Möglichkeit, Gemüse und Wildkräuter zu bleichen.

Mittel zum Zweck: Die Bleichglocke. Dieses tönerne Schmuckstück hüllt wachsende, kulinarische Leckerbissen im Garten in Dunkelheit. Dies bremst die Bildung von Bitterstoffen und zähen Fasern aus. Heraus kommt nach einiger Zeit ein zartes, schmackhaftes Gewächs, wie zum Beispiel gebleichter Lauch.

 

Anleitung Rabarber vorziehen

Varianten zum Bleichen von Gemüse 

  • Anhäufeln 
  • Holzauflage 
  • Manschetten / Stroh-Ummantelung 
  • Bleichglocken & Treibtöpfe, Rhabarbertöpfe
  • Treibraum (z. B. dunkler Keller)

Wir kennen das: Ohne Sonne bleiben wir bleich. Genauso verhält es sich auch beim Bleichen von Gemüse. Das treibende Gemüse wächst schneller und steckt die Kräfte dabei in das Wachstum auf der Suche nach dem Licht.  

Durch den Lichtentzug wird es zarter, bildet weniger starke Fasern aus und die gewöhnlichen Farbstoffe von Blatt und Stängel erreichen nicht die gewohnte Intensität. Das wirkt sich auf das Aroma aus. Pflanzen, welche normalerweise intensiv im Geschmack sind, entwickeln diesen eher verhalten und werden für manchen Gaumen schmackhafter.

Viele Pflanzen entwickeln Bitterstoffe, um sich gegen Fressfeinde zu schützen. So werden die Pflanzenteile gar nicht oder nur in Massen von Tieren verzehrt. Der bittere Geschmack bremst den Appetit auf das «Objekt der Begierde» aus. Für den Menschen sind bestimmte Bitterstoffe hilfreich bei Verdauungsbeschwerden und wurden schon im Mittelalter medizinisch eingesetzt.

  • Stangensellerie 
  • Chicorée (Bleichraum / -keller) 
  • Blumenkohl (statt Blätterhaube) 
  • Federkohl 
  • Endivien 
  • Zuckerhut 
  • Spargel (Anhäufeln) 
  • Lauch (Manschetten) 
  • Rhabarber 
  • Löwenzahn 
  • guter Heinrich 
  • Meerkohl  
  • Kardone 

Das Bleichen von Gemüse wurde früh entdeckt. Noch heute findet man historische Bleichglocken, welche wahre Bijoux in alten Potager-Gärten sind. Es gab die tönernen Gartenhelfer in allen erdenklichen Ausführungen bezüglich Formen und Verzierungen. Mit der Zeit ging das Wissen und die Anwendung in den Küchengärten praktisch verloren und so verschwanden auch die Bleichglocken. 

Seit das Interesse an Urban Gardening und Selbstversorgung zugenommen hat, wird altes Gartenwissen wiederbelebt. Zum Glück – es gibt so vieles, was wir aus der Vergangenheit an Gartentricks «neu lernen» können.

So erlebt auch das Bleichen von Gemüse mit Hilfe von einfachen Mitteln ein «Revival» in unseren Nutzgärten. 

Einsatzmöglichkeiten eines Bleichtopfes 

Die Glocke lässt sich im Garten vielfältig verwenden – aber allein zur Deko ist sie eigentlich zu schade. Egal ob zum geschützten Antreiben auf der Überholspur oder zum Minimieren von Fasern und Bitterkeit. 

Eine Regel zu nennen, was genau wann «unter die Haube» kommt, ist schwierig. Das hängt von der Pflanze und vom Ziel ab. Mehrjährige können meist gleich nach Austrieb aus dem Boden unter die Glocke.

Bei einjährigen Pflanzen, welche keine Reserven in den Wurzeln bilden konnten, ist der Zeitpunkt später. Sprich, wenn sie kräftige Setzlinge sind oder – wie beim folgenden Beispiel vom Salat – kurz vor der Reife. 

Es gehört ein bisschen Mut und Experimentierfreude dazu, diese alte Methode neu zu entdecken. Aber sie ist es Wert, wieder aufgelebt zu werden. Die Bleichglocke bietet eine tolle Möglichkeit zum Einstieg – bevor man vor lauter Tatendrang einen Dunkelraum für Chicorée einrichtet. Die Glocke ist sozusagen die «mobile» Variante ;-) 

Bleichglocke – wo Bitterstoffe und zähe Pflanzenfasern zart werden 

Hier ist der Name Programm. Bitteres Gemüse wird mithilfe «künstlicher» Dunkelheit beim Entwickeln der Bitterstoffe ausgebremst. Der beste Zeitpunkt für die «Verdunkelung» ist je nach Gemüse etwas unterschiedlich und abhängig von der gewählten Methode. 

Ein schnelles Bleich-Experiment ist der Einsatz der Glocke im Salatbeet. Man wählt einen praktisch ausgewachsenen Salatkopf wie Endivien, stülpt die Glocke drüber. Nach ca. 2 Wochen hat man einen gebleichten Salatkopf. 

Wer einen mehrjährigen Meerkohl im Garten pflegt, kann diesen beim Austrieb im Frühling abdecken. Und ein paar Wochen später von den zarten, gebleichten Triebspitzen ernten. Es ist überraschend, wie anders der Geschmack zur «Licht-Variante» ist. 

Es braucht nicht zwingend eine Bleichglocke. Wer selber Lauch anbaut, kennt das Bleichen durch die Tiefpflanzung und das Anhäufeln. Wer nicht viel Platz hat oder nur ein paar Stangen an gebleichten Exemplaren möchte, kann die Lauchsetzlinge anders «eintüten».  

In einem Hochbeet oder Balkonkasten, wo wenig Platz für tiefe Furchen und anhäufeln ist, gibt es Alternativen. Aus Schläuchen oder Leitungsmaterial vom Baumarkt lassen sich «Manschetten» für den Lauch machen. Die Manschetten sollten «mitwachsen». Bei der Länge darauf achten, dass ca. 1/5 des Lauches oben ausserhalb der Manschette ist. Sprich man hat 2 bis 3 Grössen bezüglich Durchmesser und Länge.   

So vergrössert man den zarten Teil des Lauches ebenfalls, hat weniger «Ausschuss» und vielleicht entdeckt der eine oder andere Lauchmuffel das Gemüse neu. Die Methode ist deutlich aufwändiger, aber das Resultat genauso lecker.  

Treibglocke – geschütztes Anziehen 

Hier wird das Gemüse frühzeitig abgedeckt und «angetrieben». Das Klima innerhalb der Glocke schützt die Pflanze vor Spätfrösten und stellt so sicher, dass sie sich ungehindert entwickelt. Zusätzlich lässt sich der Effekt des Bleichens nutzen – das muss aber nicht sein.  

Der Sinn der Treibglocke ist in erster Linie der Schutz heranwachsender zarter Pflanzen – sobald die Gefahr temperatur-technisch gebannt ist, kann die Glocke weg. An sonnigen Tagen in der Risikozeit kann der kleine Deckel – wenn vorhanden – zum Lüften geöffnet werden. Man sollte nicht vergessen, ihn wieder zu schliessen, sobald die Tagestemperatur sinkt. Will man bleichen, bleibt der Deckel geschlossen. 

Wenn das Wetter warm genug ist und die Pflanze den Schutz der Glocke nicht mehr benötigt, sollte man beachten, dass die Blätter die direkte Sonne nicht gewohnt sind. Das heisst, die Pflanzen werden – wie im Haus gezogene Setzlinge – an die Sonne akklimatisiert. 

Alles eine Frage der Dosierung 

Die Bleichglocke macht uns diverse Gemüse und Wildkräuter bekömmlicher. Das macht Freude und Lust auf mehr. Aber man sollte es nicht übertreiben – zumindest bei den Mehrjährigen.  

Der Bleichvorgang bedeutet für die Pflanze Stress. Es kostet diese viel Energie, das Licht zu suchen – und nicht zu finden. Da hilft variieren. Entweder hat man mehrere Exemplare, die sich quasi abwechseln oder man treibt diese ein Jahr mit und das andere Jahr ohne Glocke.  

Wichtig ist, dass man nur gesunde und robuste Gewächse dafür wählt. Schwache und angeschlagene Pflanzen wären unwiderruflich dem Untergang geweiht. 

Anleitung Rhabarber vorziehen und bleichen 

Ist eine Rhabarberpflanze frisch gesetzt, sollte man sie 2 bis 3 Jahre unbehelligt wachsen lassen. Ab dem zweiten Jahr kann man den einen oder anderen Stängel ernten. Je mehr man die Pflanze in den ersten Jahren hegt und pflegt und sonst in Ruhe lässt, desto besser der Start ins «Ernte-Alter». So hat die Pflanze ausreichend Zeit in den Vorjahren unterirdisch Reserven zu speichern für den Austrieb im Frühling. 

Daher zum Antreiben und Bleichen von Rhabarber Horste nehmen, welche mindestens 3 Jahre alt sind. Sobald im Frühling der Rhabarber unter dem Winterschutz treibt und die ersten Spitzen sich nach dem Licht recken, bekommt er Starthilfe. Zum Beispiel eine Portion Gartenkompost. Das ist gut für jeden Rhabarber, der nach dem Winter austreibt. Jene, die «unter die Haube» kommen, werden ein umso kräftigeres Wachstum im Glockenklima entwickeln. 

Der zarte Austrieb entwickelt sich über Wochen hinweg. Dank der Starthilfe und dem Schutz durch die Glocke schneller als die Horste ausserhalb. Die Glocke wird an sonnigen Tagen aufgewärmt und treibt den Rhabarber weiter in die die Höhe. 

Sobald die Triebe beim Deckel ankommen und diesen anheben, können die ersten zarten Stängel geerntet werden. Rhabarber muss nicht geschnitten werden. Man kann die Stängel «ausdrehen» und löst sie so problemlos vom Horst. Also bloss keine Verrenkungen machen ;-)  

Solange die Pflanze in der Glocke ist – auch wenn der obere Teil auswächst – bleibt die Partie im Glockeninneren zum Fusse hin hell und zart. Normalerweise erntet man Rhabarber wie den Spargel bis in den Juni. Später wird er «unverträglich» – zumindest für empfindliche Mägen und je nach Menge. Da der vorgetriebene Rhabarber aber vor seinen «ungeschützten» Kollegen erntereif ist, wird der bis dahin abgeerntet sein. 

À propos abernten von Rhabarber. Der Rhabarber nie bis zum letzten Stängel ernten. Immer ein paar Stangen stehen lassen. Diese sammeln bis zum Einziehen Kraft und Vorrat für den herbstlichen Rückzug und das erneute Austreiben im Frühling. 

Aus den Augen aus dem Sinn? 

Im Mikroklima der Treib- und Bleichglocken sind die Pflanzen vor Spätfrösten geschützt – aber nicht vor Schädlingen. Zwar werden freche Amseln den Kohl oder Salat nicht zerzupfen – aber alles, was aus dem Boden kommt, erreicht das Gewächs. Zu allem Übel sind die Schädlinge durch die Glocke vor ihren Fressfeinden geschützt.

Für den Anbau unter der Bleichglocke heisst das: regelmässige Kontrolle. Wenn der Boden gut vorbereitet ist, die Pflanznachbarn stimmen und die Versorgung an Nährstoffen stimmt, dann ist diese Gefahr kalkulierbar und man kann bei den ersten Anzeichen eines Befalls reagieren. 

Die Pflege – für eine lange Lebensdauer 

Bleichglocken sind meist aus unglasierten und porösem Ton. Im Winter werden sie nach Möglichkeit trocken gelagert. So hat man länger Freude daran. Sind die Glocken durchnässt und werden in diesem Zustand durchgefroren, besteht das Risiko eines Risses, da sich das Wasser im Ton beim Gefrieren ausweitet. 

Neben einer halbwegs geschützten Lagerung gehört eine Reinigung dazu. Die Glocke beherzt mit einer groben Bürste und lauwarmen Wasser schrubben, lufttrocknen und wenn möglich im Frühling vor dem Einsatz einmal «durchsonnen» lassen. 

Summa Summarum  

Der Anbau unter der Bleich- oder Treibglocke ist ein Abenteuer für alle, welche den Spuren vom historischen Gemüseanbau folgen. Ob mit einem umgekehrten Tontopf, einer «richtigen» Bleichglocke, ummanteln oder anhäufeln – der Effekt auf den Geschmack und die Beschaffenheit des Gemüses ist spannend. Damit lassen sich Versuchsreihen und tolle (Kinder-)Experimente gestalten.  

Wir hoffen, die Neugierde siegt und wünschen viel Spass an dem Abenteuer «Bleich- & Treibglocke». Auf dass im Schutz des historischen Gartenjuwels kulinarische Köstlichkeiten wachsen und diese Freude bereiten.

Welches Gemüse oder Kraut setzt ihr unter «die Haube»? Wir freuen uns auf Erfahrungsberichte von Bleichprofis und allen experimentierfreudigen grossen und kleinen GärtnerInnen.

E-Mail an info@andermatt-biogarten.de

Produkte rund um das Thema Gemüse bleichen

Nadine hat diesen Artikel zum Gemüse bleichen geschrieben. Sie liebt Gartenexperimente und alles mögliche Historische. Daher war es nicht weiter verwunderlich, dass sie die Bleichglocke sofort haben musste ;-) Erste Schritte punkto bleichen hat sich bereits auf Kindsbeinen im Garten der Grosseltern gemacht.

Zu den Autorenportraits

Weitere Informationen rund um den Biogarten